
1️⃣ Einleitung
Der Umgang mit einem Angehörigen, der an einer bipolaren oder unipolaren Störung leidet, kann herausfordernd sein, insbesondere in Krisenzeiten. Stimmungsschwankungen, Depressionen oder manische Episoden können unerwartet auftreten und sowohl den Betroffenen als auch das soziale Umfeld stark belasten. Ein individueller Krisenplan hilft Angehörigen, vorbereitet zu sein, um in schwierigen Phasen angemessen zu handeln, Stress zu reduzieren und die bestmögliche Unterstützung zu bieten.
2️⃣ Warum ist ein Krisenplan wichtig?
Ein strukturierter Plan hilft, in akuten Situationen schnell und sicher zu reagieren, ohne sich überfordert zu fühlen. Vorteile eines Krisenplans:
- Frühzeitiges Erkennen von Symptomen
- Reduzierung von Stress und Unsicherheit
- Klares Vorgehen für Notfälle
- Bessere Unterstützung für den Betroffenen
- Vorbeugung von Eskalationen
3️⃣ Elemente eines Krisenplans
Ein effektiver Krisenplan enthält verschiedene präventive und akute Maßnahmen, um in Notfällen schnell handeln zu können.
🔍 1. Frühwarnzeichen erkennen
Jede Krise kündigt sich oft durch subtile Veränderungen an. Häufige Frühwarnzeichen bei bipolaren und unipolaren Störungen:
Frühwarnzeichen einer Hypomanie:
- 🟩 erhöhte Kreativität
- 🟩 Unruhe
- 🟩 Musik wird laut aufgedreht, schneller gefahren
- 🟩 viel mehr Aktivität, nicht mehr davon loskommen
- 🟩 stärkere Kontaktbereitschaft
- 🟩 mehr Interesse für Erotik und Sex
- 🟩 man verliert den Bezug zu Geld, man wird freigiebiger
- 🟩 Rededrang – lauter, schneller reden als sonst
- 🟩 man hat das Gefühl, alles zu schaffen, was man sich vornimmt
Frühwarnzeichen einer Manie:
- 🟩 aufgedrehte Stimmung
- 🟩 man fängt vor übersprudelnder Ideen alles an und bringt nichts zu Ende
- 🟩 man springt mit den Gedanken und ärgert sich, dass andere nicht mithalten können
- 🟩 der normale Tagesablauf wird nicht mehr eingehalten
- 🟩 sehr kurze Schlafzyklen
- 🟩 man ist beratungsresistent, wenn es um das eigene Verhalten geht
- 🟩 Größenwahn
Frühwarnzeichen einer Depression:
- 🟩 keine Energie
- 🟩 gedrückte Stimmung
- 🟩 rasch ermüdbar, gesteigertes Ruhebedürfnis
- 🟩 alles fällt schwer
- 🟩 vieles ist auf einmal egal
- 🟩 man fühlt eine unsichtbare Mauer zwischen sich und anderen, die Beziehung wird egal
- 🟩 vermehrtes Grübeln, sich Sorgen machen, kaum Selbstbewusstsein haben
- 🟩 am liebsten würde man im Bett liegen bleiben
- 🟩 die Kontaktbereitschaft lässt nach (telefonieren, sich mit anderen unterhalten)
- 🟩 man will nicht mehr rausgehen
- 🟩 man will kaum mehr andere besuchen, treffen
- 🟩 man vernachlässigt alltägliche Verpflichtungen
- 🟩 man vernachlässigt sich selbst
- 🟩 man ist entscheidungsunwillig
📋 2. Notfallkontakte und professionelle Hilfe
Ein Krisenplan sollte eine Liste wichtiger Kontakte enthalten:
- Psychiater/Psychotherapeut
- Hausarzt oder Fachärzte
- Krisenhotlines (z. B. Telefonseelsorge, psychiatrische Notdienste)
- Familienmitglieder oder enge Freunde als Unterstützung
- Notrufnummern für akute Gefahren (112 in Deutschland)
🏠 3. Sicherer Rückzugsort
- Klären, wo sich der Betroffene beruhigen kann (z. B. vertrauter Raum, Natur, Meditationsbereich).
- Ablenkung durch beruhigende Aktivitäten (Musik, Lesen, Atemübungen).
🗣️ 4. Kommunikationsstrategien in Krisensituationen
- Ruhe bewahren: Keine Konfrontationen oder Schuldzuweisungen.
- Klar und verständlich sprechen: „Ich merke, dass es dir gerade nicht gut geht. Wie kann ich helfen?“
- Grenzen setzen, wenn destruktives Verhalten auftritt.
- Kein Drängen zur Therapie, sondern liebevolle Ermutigung zur Hilfe.
💊 5. Medikamentenmanagement
- Sicherstellen, dass der Betroffene seine verordneten Medikamente regelmäßig nimmt.
- Bei Unsicherheiten: Den behandelnden Arzt kontaktieren.
- Achtung: Keine eigenmächtige Anpassung der Dosierung!
🚨 6. Handlungsablauf für akute Krisen
Falls der Betroffene eine akute Gefahr für sich oder andere darstellt:
- Direkt professionelle Hilfe holen (Krisendienst, Notruf 112).
- Den Betroffenen nicht alleine lassen.
- Beruhigend, aber bestimmt kommunizieren.
- Falls nötig: Notaufnahme oder psychiatrische Klinik in Erwägung ziehen.
4️⃣ Selbstfürsorge für Angehörige
Angehörige dürfen sich nicht selbst vergessen! Tipps zur Selbstfürsorge:
- Eigene Grenzen setzen – man kann nicht alles allein bewältigen.
- Unterstützung suchen (z. B. Selbsthilfegruppen, Gespräche mit Freunden oder Therapeuten).
- Regelmäßige Pausen einplanen – Ausgleich durch Hobbys oder Sport.
- Wissen über die Erkrankung vertiefen, um besser vorbereitet zu sein.
5️⃣ Fazit
Ein gut durchdachter Krisenplan kann Angehörigen helfen, in schwierigen Situationen angemessen zu reagieren und den Betroffenen bestmöglich zu unterstützen. Durch frühzeitige Erkennung von Symptomen, klare Abläufe und Selbstfürsorge lassen sich Krisen besser bewältigen und langfristig die Lebensqualität für beide Seiten verbessern.